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Geschäftsmodell-Impulse aus (digitalen) Ideation-Prozessen


Lesedauer: 5 Minuten

Seit Beginn letzter Woche sollen sukzessive das öffentliche Leben und die Wirtschaft wieder in Gang gebracht werden. Dies eröffnet zum einen ökonomische Perspektiven und ist zum anderen auch psychologisch ein wichtiger Schritt. Das wirtschaftliche Umfeld wird wohl aber noch auf längere Zeit nur schwer einzuschätzen sein. Für manche Branchen muss von einer „schöpferischen Zerstörung“ im Schumpeterschen Sinn ausgegangen werden. Wie Unternehmen die Potenziale eines derart volatilen Umfeldes nutzen können, haben wir auf mehr abstrakter Ebene bereits in unserem Blog-Beitrag „Die Wirtschaft nach dem künstlichen Koma“ thematisiert. Heute wollen wir nun konkreter werden und den Ablauf sowie die erfolgsrelevanten Aspekte eines Ideation-Prozesses detaillierter darstellen.

straffes, weitgehend online-basiertes Verfahren mit kurzen, aber häufigen Sessions.

(Digitale) Ideation-Prozesse: Schnelle Ideen mit vertretbarem Aufwand

Die im Folgenden beschriebene Methode eignet sich sowohl zur Entwicklung von Impulsen für das eigene Geschäftsmodell als auch für kreative Kommunikationsideen. Dabei stellt diese Form der Ideation eine Kombination aus unterschiedlichen Ansätzen – zum Beispiel den agilen Methoden, der Software-Entwicklung und dem Design-Thinking – dar. Wir bei Publik wenden diese Methode schon länger an und entwickeln sie stetig weiter. In der aktuellen Situation erweist sie sich als besonders zielführend. Und zwar sowohl im Hinblick auf die Arbeitssituation als auch auf die Geschwindigkeit.

Je dynamischer das Marktumfeld, desto wichtiger ist es, schnell zu reagieren. „Long tail“-oder „Me too“-Strategien können derzeit überholt sein, noch bevor sie implementiert sind, und durch die daraus resultierende „falsche“ Ressourcenbindung gar existenzgefährdend werden. Klassische Design-Thinking-Prozesse, die über mehrere Tage die Präsenz eines Teams vor Ort erfordern, sind derzeit – auch aufgrund des „Social Distancing“-Gebots – kaum vorstellbar. Wir empfehlen daher ein straffes, weitgehend online-basiertes Verfahren mit kurzen, aber häufigen Sessions. Zwei Mal pro Woche 60 bis 120 Minuten können innerhalb von wenigen Wochen gute Ergebnisse bringen.

Digitale Umgebung als Herausforderung?

Ein weiterer Grund, warum einige etablierte Verfahren wie beispielsweise das Design-Thinking nicht in der vorgegebenen Form durchgeführt werden können, liegt in der stark dezentralisierten Arbeitssituation. Eine Vielzahl von Menschen arbeitet aus dem Homeoffice und/oder ist in Kurzarbeit. Die Ideenfindung und Entwicklung im Ideation-Prozess muss zu weiten Teilen mit Hilfe von digitalen Kommunikationstechniken durchgeführt werden. Dazu ist neben der Kommunikationstechnik eine digitale Kollaborationstechnik vonnöten. Wir arbeiten mit dem Whiteboard-Tool Miro. Im Vergleich zu anderen Tools hat diese Anwendung neben der intuitiven Bedienbarkeit einen entscheidenden Vorteil: Die Ergebnisse der Sitzungen können jederzeit unverändert eingesehen und bearbeitet werden. Allerdings birgt die digitalisierte Arbeitsweise auch Nachteile. Tendenziell schwierig erweist sich zum Beispiel das Anwenden von klassischen Kreativtechniken, die von (nonverbaler) Interaktion zwischen den Teilnehmer*innen profitieren. Hier empfiehlt es sich auf einfache, schriftbasierte Techniken zurückzugreifen.

Moderation als zentraler Erfolgsfaktor für Ideation-Prozesse

Unsere Erfahrung bei der Moderation solcher und ähnlicher Prozesse in analogen Umgebungen hat gezeigt, dass die Moderation einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für das Gelingen von Ideation-Prozessen ist. Dies gilt für die digitale Variante im gleichen Maß. Eine der zentralen Aufgaben der Moderation ist es dabei unter anderem, für ein Gleichgewicht zwischen Freiheit und spielerischer Ungezwungenheit in den offenen kreativen Phasen und Fokussierung und Ergebnisorientierung in den geschlossenen Ausarbeitungsphasen zu sorgen.

Der 5-Stufen-Plan des Ideation-Prozesses

Moderation als zentraler Erfolgsfaktor für Ideation-Prozesse

Stufe 1: Bildung eines Ideation-Teams

Im ersten Schritt gilt es, die bestmögliche „Qualität“ des Teams sicherzustellen. Zunächst bedeutet dies eine heterogene Zusammensetzung in Bezug auf Ausbildung und Tätigkeitsbereich. Im besten Fall sind auch die wichtigsten Funktionen des Unternehmens im Team vertreten. Vorzugsweise haben die Mehrzahl der Team-Mitglieder*innen direkten Kundenkontakt. Persönliche Eigenschaften, die Kolleg*innen prädestinieren, sind ein hohes Maß an intrinsischer Motivation, Affinität zu kreativem Denken und Handeln, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und Dinge anzutreiben, Freude am schöpferischen Handeln und etliches mehr.

Stufe 2: Realistische Szenarien entwickeln

Das gedankliche Vorwegnehmen wahrscheinlicher Szenarien und das Abschätzen der Möglichkeiten, die sich daraus für das eigene Unternehmen ergeben, ist die erste inhaltliche Aufgabe für das Team – und damit der Beginn des eigentlichen Ideation-Prozesses. Die Informationsquellen für diese Aufgabe liegen zum einen in der öffentlichen und in der fachlichen Agenda des Unternehmens: Wie wirken die bisherigen Geschehnisse auf die Menschen? Welche Restriktionen werden durch die Politik wann gelockert – oder gar wieder verschärft? Wie wirken diese Maßnahmen auf die eigene Branche?

Zum anderen stellen bestehende Kundenkontakte eine wichtige Informationsquelle dar. Hier ist zu erfahren, was die Kund*innen konkret bewegt, welche Themen diskutiert werden, welche Befürchtungen oder Hoffnungen es auf Kundenseite gibt. Gerade den Befürchtungen sollte besondere Beachtung zuteilwerden. Sie stellen eine Art Garant für „das offene Ohr“ des/r Kund*in dar.

Stufe 3: Bedarfe der (potenziellen) Kund*innen ableiten

Wie sich aus der Corona-Situation in den vergangenen Wochen Bedarfe entwickelt haben, war eindrucksvoll zu beobachten. Neben nahe liegenden Primärbedarfen wie Schutzmasken oder Desinfektionsmitteln ergab sich durch die Tatsache, dass viele Mitarbeiter*innen ins Homeoffice gingen zum Beispiel auch eine enorme Nachfrage an digitalen Kommunikationstools. Diese Entwicklungen werden sich in den nächsten Monaten, vielleicht sogar Jahren mit großen Branchenunterschieden fortschreiben. Die zweite Aufgabe des Ideation-Teams besteht also darin, die Bedarfe zu erkennen, die sich aus den entwickelten Szenarien ergeben werden und welche davon zu Impulsen „verarbeitet“ werden können.

Stufe 4: Prinzipielle Ansätze entwerfen

Hinter diesem Schritt verbirgt sich die wahrscheinlich schwierigste Aufgabe für Moderator*innen und die wichtigste Phase des gesamten Prozesses. Ziel ist es, möglichst viele grundsätzliche Möglichkeiten zu finden, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu erfüllen. Da Menschen sehr stark dazu neigen, konkrete Lösungen bzw. Antworten zu finden, muss die Moderation hier die Gruppe anleiten, nicht zu schnell zu konkret zu werden und grundlegende Ideen auf einer abstrakten Ebene zu denken. Dieses Vorgehen erhöht drastisch die Wahrscheinlichkeit, Ideen zu entwickeln, die wirklich neu und aufmerksamkeitsstark sind. In dieser Phase des Ideation-Prozesses empfehlen wir die Nutzung expliziter Kreativtechniken, vor allem um das Team in einen sogenannten „open mode“ zu versetzen. Diese mentale Haltung ermöglicht ein Denken jenseits gewohnter Wege und ist für diese Phase nahezu zwingend erforderlich. Zum Abschluss dieser Stufe soll aus einer möglichst großen Anzahl von Möglichkeiten wenige favorisierte Ansätze ausgewählt werden, die weiterverfolgt werden. Nicht ausgewählte Ideen werden auf jeden Fall konserviert und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt nochmal aufgegriffen.

Stufe 5: Konkrete Angebote erstellen

Auf Basis des in Schritt 4 entwickelten „Rohmaterials“ werden nun konkrete Ideen oder Angebote ausgearbeitet. Auch hier empfiehlt sich die explizite Anwendung von Kreativtechniken. Hier bieten sich Techniken an, die einerseits digital durchführbar sind und andererseits eine möglichst große Vielfalt in der Varianz der Ideen bringen. Empfehlenswert ist hier zum Beispiel das Brainwriting oder die 6-3-5-Methode. In dieser Phase werden zunächst erneut in einem sehr offenen Vorgehen möglichst viele unterschiedliche Ideen in kurzer Zeit erarbeitet. Aus diesen werden wiederum einige favorisiert und konkretisiert. Zum Abschluss des Ideation-Prozesses empfiehlt sich eine Vorstellung der Ergebnisse vor Kolleg*innen, die bisher nicht in den Prozess involviert waren. Dabei werden in der Regel nochmals wichtige Hinweise generiert, die der Idee den finalen „Schliff“ geben können.

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