(M)eine Nacht im angesagtesten CLUBHOUSE Deutschlands
Lesedauer: 6 Minuten
Frischer Wind weht über die Social-Media-Landschaft, ein neuer Hype schleicht durch die Gassen. Die nicht mehr ganz so neue, bereits 2020 veröffentlichte App „Clubhouse“ hat den Sprung nach Deutschland geschafft. Über Nacht schießt sie an die Spitze der iTunes-Charts und zieht einflussreiche Speaker*innen an.
Die Grundidee besteht darin, dass sich Menschen mit gemeinsamen Interessen in sogenannten „Rooms“ zu einem bestimmten Thema treffen und auditiv austauschen. Noch einfacher ausgedrückt: Im Prinzip ist Clubhouse ein Live-Podcast, in den User*innen sich aktiv einbringen können.
Was ist so spannend an der App?
Clubhouse hat es geschafft, in kürzester Zeit die Crème de la Crème der nationalen und internationalen Speaker*innen- und Entrepreneur*innen-Szene zu versammeln. Die App reduziert nötige Organisationsmaßnahmen auf ein Minimum. Wo vorher Einladungen und Reminder zu Webinaren oder Vorträgen verschickt wurden, genügen jetzt zwei Klicks mit dem Daumen. Follower*innen werden durch eine Push-Nachricht aufgefordert, dem virtuellen Raum beizutreten und zuzuhören – oder aktiv am Gespräch teilzunehmen.
Hinzu kommt: Exklusivität. Nicht „jeder“ kann Clubhouse beitreten. Dazu ist die Einladung eines bereits registrierten Mitglieds notwendig. Diese Einladungen sind momentan noch begrenzt und damit begehrt, denn jedem „Clubhouser“ stehen nur wenige Einladungen zur Verfügung. Auch ist die App aktuell nur für iPhone-Besitzer*innen zugänglich. Android-User*innen müssen noch warten – wie lange, weiß niemand so genau. Ob dies ein dauerhaftes Modell bleibt, ist fraglich, da sich Exklusivität mit der Zeit abnutzt, und die Gefahr besteht, dass die Reichweite nach einer gewissen Dauer plötzlich schrumpft. Doch genau davon lebt Clubhouse. Denn das Besondere ist: Clubhouse bringt Menschen aus allen Gesellschaftsschichten mit einer extrem niedrigen technischen Hemmschwelle zusammen.
Meine Nacht im Clubhouse
Als eines Abends mein iPhone aufleuchtet und mir eine Einladung zu Clubhouse anzeigt, zögere ich nicht lange und nehme direkt an. Ich lade die App herunter, tippe den Code zur Verifizierung ein – und dann ist es endlich soweit: Ich bin Mitglied im aktuell exklusivsten Club Deutschlands.
Bevor es richtig losgeht, fragt die App erst einmal einige Fakten ab. Ich kann unter einer Vielfalt an Themen meine Interessensschwerpunkte setzen. Nachdem ich alles brav ausgewählt habe, erscheint ein klar strukturierter Home-Bildschirm vor mir, der mir bereits die ersten spannenden Rooms anzeigt. Und ich habe direkt Glück: Thomas Gottschalk und Sascha Lobo diskutieren gerade miteinander. Ein wenig zögerlich trete ich in den Raum, noch unsicher, ob man mich direkt hören wird. Doch Pustekuchen – die Macher*innen der App haben daran gedacht, eine gesittete Diskussionsrunde zu ermöglichen: Wenn ich etwas sagen möchte, muss ich erst „digital“ die Hand heben und ein Moderator*in muss mich freischalten.
Ich höre eine Weile zu, bis ich merke, dass das Thema mich eigentlich gar nicht interessiert und nur die großen Namen mich angezogen haben, wie das Licht die Motte. Also verlasse ich still den Raum, um mich weiter im Clubhouse umzusehen.
Was mir direkt auffällt: Der Algorithmus scheint noch nicht ganz ausgefeilt zu sein. Zwar haben die angezeigten Räume im Entferntesten mit meinen Interessen zu tun; aber eben wirklich nur im Entferntesten. Ich entdecke viele Start-up-Rooms und Politik-Talks, was mich verwundert, denn ich habe weder vor, ein Start-up zu gründen, noch habe ich „Politik“ als Interessensschwerpunkt gesetzt. Nun gut, es braucht vielleicht noch etwas Zeit, um anzulaufen.
Meine nächste Mission: selbst einen Raum starten. Völlig naiv eröffne ich einen Raum und kann zwischen den Optionen „Open“, „Social“ und „Closed“ wählen. Bei Erstgenanntem kann jeder eintreten, im zweiten Fall werden meine Follower*innen benachrichtigt und bei der letzten Option können nur Menschen, die ich einlade hinzukommen. Ich entscheide mich für „Social“ und öffne den Raum – einfach, um zu testen. Keine Minute später sind schon zwei Kolleginnen von mir mit im Raum; sie haben eine Push-Benachrichtigung erhalten, dass ich einen Raum gestartet habe. Wir quatschen ein wenig miteinander und tauschen erste Erfahrungen über Clubhouse aus. Es fühlt sich sehr nach einem Telefongespräch an, um ehrlich zu sein.
Am Ende sind wir insgesamt sechs Leute, die sich über den Sinn und Unsinn von Clubhouse unterhalten – ironischerweise via Clubhouse und ohne zu einem nennbaren Ergebnis zu kommen.
Ich verlasse den Raum, nach der ersten Euphorie nun ein wenig enttäuscht, und schaue mich weiter um. Mal höre ich hier rein, mal da. Nichts fesselt mich wirklich, bis ich einen Raum über die deutsche Medienlandschaft finde. Ein paar Marketing-Kollegen*innen aus anderen Agenturen tauschen sich gerade über die aktuelle Lage der Medien aus und erörtern, wie sich das Corona-Virus nachhaltig auf deren Diversität auswirken wird. Das ist die erste Talkrunde, die tatsächlich fachlich fundiert und über ein für mich interessantes Thema diskutiert. Ich höre bis zum Ende zu, ohne mich aktiv zu beteiligen, verlasse anschließend den Raum aber mit einem guten Gefühl.
Die Schattenseiten von Clubhouse
Neben den Möglichkeiten, die Clubhouse bietet, fällt sie in den Medien insbesondere durch vermeintliche Lücken im Datenschutz auf. So erfragt die App den Zugriff auf Kontakte aus dem eigenen Telefonbuch. Dies ist unter Umständen schwierig, da hier Daten von Menschen genutzt werden, die die App unter Umständen selbst nicht verwenden. Laut DSGVO müsste eigentlich jeder Kontakt hierzu vorab gefragt werden.
Auch der bereits erwähnte Algorithmus scheint noch zu schwächeln. Es bleibt zu hoffen, dass hier seitens der Entwickler*innen nachjustiert wird.
Eine weitere Schwierigkeit ist die Suggestion einer vermeintlichen „Intimität“. Clubhouse hat diesbezüglich schon den ersten Skandal – wenn auch kein Skandal der App, sondern personenbezogener Natur: So nannte Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow in einer Talkrunde auf Clubhouse die Bundeskanzlerin „Merkelchen“ und sagte, er habe während einer Ministerpräsidentenkonferenz „Candy Crush“ auf dem Handy gespielt (Quelle: zeit.de). Die App ist so konstruiert, dass Hemmschwellen fallen, und dann – wie im Fall von Herrn Ramelow – schneller und ungefiltert Aussagen getroffen werden, die so in keinem Interview stattgefunden hätten.
Was bleibt? Mein persönliches Fazit
Viele erfolgreiche Unternehmen sind bereits auf ähnliche Weise durchgestartet: eine einfache Idee, die es dank Investoren zu Großem schafft und die den Nerv der Zeit trifft. Ob das auch bei Clubhouse der Fall sein wird und sich die App in die Reihe neben Facebook, Instagram, TikTok und Co. einreihen darf, bleibt noch abzuwarten.
Die hochkarätigen Speaker*innen setzen aber bereits ein klares Signal: Clubhouse wird wachsen! Und aktuell sieht es für den neuen Kanal sehr gut aus. Ich frage mich, ob rein auditive Inhalte auf Dauer eine Chance haben. Schließlich existieren bereits Alternativen wie Podcasts. Ihren wahren Mehrwert muss die App erst noch unter Beweis stellen. Dennoch glaube ich, dass die App für das Marketing interessant ist. Wir treffen hier unter anderem auf Influencer*innen und Early Adaptors: zwei Zielgruppen, die insbesondere für techaffine Unternehmen wichtig sind.
Irgendwie macht Clubhouse auch süchtig. Alle Kolleg*innen in meinem Umkreis sind in der App. Die FOMO (fear of missing out) ist omnipräsent. Jeder denkt: „Ich muss dabei sein!“ Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich das Handy in die Hand nehme und schaue, ob ein neuer interessanter Raum eröffnet wurde.
Letztendlich sollte man der App eine Chance geben. Ich bin jedenfalls gespannt, wo die Reise hingehen wird.

IHR ANSPRECHPARTNER
MARIO VUJNOVIC
Sind Sie anderer Meinung? Oder benötigen Sie Unterstützung mit Clubhouse? Gerne diskutiere ich mit Ihnen über die Möglichkeit von Clubhouse und über passenden Content.